Die Rolle internationaler Handelszusammenschlüsse

Es ist allgemein bekannt, dass sich beim Handel mit den Konsumgütern des täglichen Gebrauchs Zulieferketten bilden und dass es einen Trend zu starker Zentralisation in der Zulieferung und Logistik gibt. Kurz gesagt, gibt es viele kleine bis mittelgroße Produktionsbetriebe in Europa, aber im Vergleich nur wenige große Warenabnehmer. Wichtige Großabnehmer in Europa sind AMS, CO-OP, UNITED NORDIC und EMD.


Die weltweite Expansion großer Logistik- und Zulieferunternehmen erleichtert im Zusammenschluss mit der Kaufkraft großer Einzelhandelsketten die Anwendung ausbeutender Wirtschaftspraktiken. Besonders in den Ländern des globalen Südens wird hierdurch die Stellung derjenigen Produzent*innen weiter geschwächt, die ohnehin schon leicht angreifbar sind.

Der Preiswettbewerb zwischen Markenprodukten und den Eigenmarken der Supermärkte, sowie zwischen den unterschiedlichen Einzelhandelsketten wird oft ohne Rücksicht geführt --- weder auf die Leben der Arbeiter*innen in den Herkunftsländern noch auf die Umwelt.

Beispiele für unfaire, zerstörerische Handelspraktiken sind:

•    Unilaterale Preissenkungen durch die Einzelhandelsketten, ohne Befragung der Versorger*innen
•    Änderungen in Handelsverträgen, die im Nachhinein vorgenommen werden
•    Ausgaben und Gefahren, die auf die Produzent*innen abgewälzt werden.
•    Unangekündigte, abrupte Beendigung der Handelsbeziehungen ohne rechtliche Grundlage
•    Kurzfristige Änderung von Bestellungen
•    Bedrohung der Produzent*innen durch Androhung der Aufkündigung von Handelsvereinbarungen, falls die anspruchsvollen Forderungen der Einzelhandelsunternehmen nicht eingehalten werden können.
•    Forderung hoher Entschädigungszahlungen, falls die Produzent*innen den geforderten, hohen Qualitätsstandards nicht entsprechen können.

Die Produzent*innen lehnen sich nur selten gegen diese Handelspraktiken auf, weil sie unter der permanenten Bedrohung stehen, ihre Hauptabnehmer zu verlieren und damit ihre Existenzgrundlage. Für einen Produzent*in ist es sehr schwer, mit diesen unfairen Handelspraktiken umzugehen, sogar in Ländern des globalen Nordens. In Ländern des globalen Südens, wo die sozialen Sicherungssysteme fragil und die Anzahl der Beschäftigungsmöglichkeiten knapp ist, sind die negativen Auswirkungen noch um ein Vielfaches größer.

Aktuelle Entwicklungen und Positionen

Das Europäische Parlament fordert mit seiner Abstimmung von der Europäischen Kommission, gegen unfaire Handelspraktiken (UTPs) in der Lebensmittelversorgungskette vorzugehen und verbindliche Richtlinien für den Schutz von KleinbäuerInnen zu beschließen. Die Christliche Initiative Romero begrüßt die klare Positionierung des Europäischen Parlaments gegen die Ausbeutung von Menschen im Globalen Süden durch multinationale Lebensmittelkonzerne und fordert eine rasche Umsetzung von der Europäischen Kommission. Sandra Dusch Silva (CIR): „Das Europäische Parlament hat sich klar für faire Handelsbeziehungen zwischen Europa und dem Globalen Süden ausgesprochen. Damit ist die Europäische Kommission aufgefordert, verbindliche Richtlinien zu beschließen, um Bauern und Bäuerinnen vor multinationalen Lebensmittelkonzernen und Supermärkten zu schützen. Das Europäische Parlament wird in seiner Forderung von über 61.000 Bürgerinnen und Bürgern unterstützt, die eine Petition für faire Handelsbeziehungen unterschrieben haben.“

 Eva Izquierdo, Projektleiterin beim Europäischen Umweltbüro, das sich gemeinsam mit Südwind in der Kampagne „SUPPLYCHA!NGE - Make Supermarkets Fair!” für faire Handelsbeziehungen engagiert: „Wir haben in vielen Gesprächen mit EU-Parlamentarierinnen und EU-Parlamentariern über die unfairen Handelsbeziehungen innerhalb der Zulieferketten von Lebensmittelkonzernen  informiert. Wir freuen uns, dass das EU-Parlament jetzt eine deutliche Botschaft an die Europäische Kommission gesandt hat. Es braucht dringend die Aufmerksamkeit der Kommission und der Wettbewerbsbehörden, um der Ausbeutung einen Riegel vorzuschieben.“

Sandra Dusch Silva (CIR und lead der europaweiten Kampagne)  erläutert die Auswirkung von den UTPs für die Betroffenen: „UTPs nehmen im Alltag ganz unterschiedliche Ausprägungen an wie beispielsweise die Verweigerung schriftlicher Verträge, lange Zahlungsverzüge, beliebig festgelegte Preisabschläge bei pünktlicher Zahlung oder die Verrechnung von Kosten für fiktive Dienstleistungen, um damit Preisvereinbarungen zu umgehen. Es herrscht ein Klima der Angst. Viele - vor allem kleine - Produzentinnen und Produzenten, schweigen, weil sie fürchten, ihr Geschäft zu verlieren. Die Entscheidung ist ein klares Signal an die Europäische Kommission, Schritte zu setzen, Produzenten und Produzentinnen über die Einführung verbindlicher Regeln für Handelspartner diese Angst zu nehmen und faire Geschäftsbeziehungen auf Augenhöhe zu ermöglichen.”

Hintergrundinformationen:

Berichte

European Parliament Unfair trading practices in the food supply chain, Entscheidungsprozess

European Parliament Bericht zu unlauteren Handelspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette und Entschließungsantrag, über den am 7. Juni abgestimmt wurde

Petition für faire Handelsbeziehungen

Petition Stoppt unfairen Handel. Make Fruit Fair! (wurde am 10. November 2015 mit mehr als 61.000 Unterschriften an die Europäische Kommission übergeben.)